gutes und neues

die letzten zwei tage waren im shop richtig gut. es waren total viele menschen dort (gestern 110!) und es ist nichts blödes passiert. mira und ich waren unten im shop und hatten teilweise richtig nette gespräche und momente. das hat gut getan.

ausserdem haben n. und m. es geschafft mit 5 frauen* von hier ein neues system zu entwickeln, dass gewährleisten wird, dass die menschen, die nicht im miral leben (können) mit essen versorgt sind, ohne dass das von volunteers abhängig ist. wie das genau funktionieren wird, werden wir euch bald erzählen.

und morgen wollen wir einen call out für neue volunteers rausbringen. damit hier schon was weitergehen kann. denn irgendwie geht es ja immer weiter…

h. und a. sind heute mit einer kleinen ladung toller sachen (ohne grenzprobleme) angekommen. juhu.

und ausserdem ist wochenende, das ist super.

Brief von der Peripherie an die Zivilgesellschaft der EU

Hier als PDF: Brief an EU-Zivilgesellschaft-1

unruhige nacht

und nur mal zum klarstellen, mira und lie schreiben hier beide immer wieder. auch wenn nicht immer klar rauskommt, wer es geschrieben hat, sind hier sozusagen zwei perspektiven sichtbar…

Heute waren ab halb Sieben oder so alle im Zimmer wach. wir sind aber auch früh schlafen gegangen, darum fühl ich mich schon auch halbwegs ausgeschlafen.

ich bin aufgewacht, weil ich mir sorgen gemacht hab. sorgen beim aufwachen find ich besonders schwierig im umgang. denn sie winden sich in meine gedanken und dominieren dann alles, was in mir passiert, ohne dass meine abwehrmechanismen bereits aufgestanden wären.

vieles hat sich in der letzten woche hier nocheinmal radikal verändert. noch vor einer woche hatte ich das gefühl, wir sind ein richtig tolles team trotz all der widersprüche. jetzt scheint es, als ob dieses team ein klares ablaufdatum mit mitte februar hat. die leute sind einfach fertig und können nicht mehr. manche müssen gehen, weil anderes aufgeploppt ist oder sie nicht mehr bleiben dürfen. und auch unsere zeit wird kommen, wo wir wieder in unser beschauliches wieserhoisl zurückkehren werden.

und was passiert dann hier? ich kann es mir grade nicht so gut vorstellen. wir sind im moment am schauen, dass wir mit manch engagierten leuten von hier mehr kontakt knüpfen um nach nachhaltigeren lösungen zu suchen, die nicht auf volunteer-arbeit basiert. denn diese kommen und gehen.

und obwohl wir gehen, bleibt die situation für die menschen, die bleiben müssen die gleiche. vielleicht wird sie dann sogar noch schlimmer, denn dann gibt es nicht mal mehr den shop und die paar volunteers, die im notfall angesprochen werden können.

solche gedanken waren es, die mich heut morgen umgetrieben habe. dann bin ich aufgewacht und mira meinte: “mach dir keine sorgen. wir gehen einfach schritt für schritt.”

Es ist auch nicht klar was wirklich passieren wird. Nicht klar – geht es weiter, wie geht es weiter. Das nachhaltigste wäre wenn die lokale Bevölkerung etwas für ihre oft schon so engagierten Tätigkeiten bekäme.

Es gibt ja bereits das Restaurant, das spendengestützt betrieben wird.

Wenn es noch  einen Waschsalon geben würde der vielleicht auch spendengestützt hier arbeiten würde und ein Tröpferlbad in dem alle Menschen günstig Duschen könnten.

Und einen Supermarkt, der finanziell unterstützt aus Europa, Essen… an die Menschen ohne jegliche Unterkunft und Verpflegung ausgeben könnte.

Ich denke, solche Dinge könnten wirklich nachhaltig funktionieren da sie der lokalen Bevölkerung und den Menschen auf der Reise etwas bringen würden.

Damit wären zumindest einige Bedürfnisse adressiert. Um solche Dinge organisieren zu können braucht es Menschen aus der Region, die die Sprache sprechen, die Menschen kennen und sich zumindest mal für eine längere Zeit auf das was passiert einlassen.

Auf jeden Fall ist mir klar geworden, dass das System der Kurzzeit – Voluntäre kein langfristiges Traggerüst für schwerwiegende menschenrechtliche und humanitäre Krisen sein kann.

 

 

 

erschwerte bedingungen

gestern hat ein van aus deutschland mit spenden für hier an drei unterschiedlichen grenzübergängen versucht, nach bosnien zu kommen und ist gescheitert. es sind dann zwei von uns nach kroatien und haben zumindest das, was wir wirklich gut brauchen können, geholt. auch da wars an der grenze schwierig und sie wurden fast davon abgehalten zu passieren.

Eigentlich braucht es dafür nämlich einen schrieb, wo das zeug herkommt, wo es hingeht und eine packliste.

Dann werden in den nächsten wochen sogut wie alle, die grade hier am tun sind, abreisen (müssen). eine wichtige person im team wird für ein jahr des landes verwiesen, weil sie zu lange durchgehend da war. bei einer zweiten ist das nicht sicher. bisher haben sich keine menschen gemeldet, die für lange herkommen wollen.

es gehen gerüchte um, dass sich volunteers bald in bihac melden müssen und das alles noch viel komplizierter wird.

das alles macht die arbeit auch ganz schön hart, da so ungewiss ist, wie es weitergeht und was alles sinn macht und was nicht. aber das ist ja immer die frage…

 

Manchmal fühlt sich alles so fucked up an. Heute ist ein Mensch von einem Pushback zurückgekommen, mit gebrochenen Rippen. Als wir mit ihm im Krankenhaus waren, haben die gemeint, um ihn behandeln zu können bräuchten sie eine Bestätigung vom Danish Refugee Council, die jetzt die Medical Care im Miral Camp machen. Um diese Bestätigung jedoch zu bekommen, bräuchte er eine Karte vom Miral Camp. Um die wiederum zu bekommen müsste er eine Stunde zu Fuss gehen, da weder Freiwillige noch die örtlichen Taxiunternehmen Menschen am Weg transportieren dürfen. Und auch wenn er dort ankäme und keine Karte vom Miral Camp hätte würde er keine bekommen, da die sagen sie wären voll. Also was tun?

Wir wissen es nicht.

Wie in so vielen Fällen. Wir wissen es nicht, oder – was noch eher zutrifft – es gibt einfach keine Lösung. Und das ist schwer zu akzeptieren. Schwer einzustecken. Sicher auch weil wir mit mitteleuropäischem Pass fast immer eine Lösung finden können, fast immer Hilfe in Anspruch nehmen können. Das löst vieles in mir aus. Wut, Ohnmachts- und nicht zuletzt auch Schuldgefühle. Die Schuld, Privilegien zu haben und im Versuch diese zu teilen zu scheitern.

Es wäre großartig wenn sich die Grenzen auflösen würden. Einfach so. Ohne Diskussion und großen Aufwand.

Das passiert aber nicht  – also come on people let’s go. Lasst uns in der Scheisse rühren und uns gemeinsam an einem Weg da raus arbeiten.

Das Miral Camp von Aussen:

 

video

Das passiert gerade im “Offiziellen Flüchtlingslager” von Velika Kladusa,
in Bosnien.

Unter der Leitung der IOM (Internationale Organisation für Migration) werden Menschen auf der Flucht derart behandelt.

Es tut uns leid, dass wir solche Bilder zeigen müssen – sie enthalten Gewalt – aber es ist wichtig, dass wir nicht wegschauen bei dem, was hier passiert. Velika Kladusa ist nur 3 Stunden von der österreichischen Grenze entfernt und die IOM ist EU finanziert.

Gerade kommen immer mehr Leute in den Shop. Die Temperatur sinkt und damit steigt auch der Bedarf nach warmem Gewand. Und das Bedürfnis nach einem warmen Ort zum Schlafen, zum Essen, zum Sein. Und den gibt es für die Menschen hier einfach nicht. Das Camp verweigert Menschen den Zutritt. Sei es weil sie Frauen sind oder weil sie sich nicht den Wünschen der Leitung entsprechend verhalten. Vor wenigen Tagen wurde ein Bekannter dabei “erwischt” wie er einfach nur mit seinem Telefon im Lager filmte und wurde nach einem daraus entstandenen Konflikt aus dem Lager geworfen. Ihm wurde seine Karte – die Miral – Card weggenommen. In der Nacht bei Minustemperaturen. Und es gibt keine Alternative. Keinen warmen Platz wo ein Mensch einfach hingehen kann und bleiben. Eine andere Bekannte war schon zweimal da um um einen Platz zu bitten und wurde beide Male abgewiesen.

Dabei, würde da kein Mensch da freiwillig bleiben  wollen. Aber es gibt keine Wahl. Mittagessen: Ein Stück Brot, eine Dose Sardinen und ein Becher Joghurt. Überreicht von Bediensteten mit Atemmasken und Handschuhen. Kein Nachschlag möglich. Die Duschen fast immer kalt. Heute hat mir Einer mit sehr schlimmem Scabiesbefall erzählt, er versucht seit 4 Tagen zu duschen um sich behandeln zu können und kommt einfach nicht an die Reihe. Waschmöglichkeiten für Klamotten gibt es überhaupt nicht. Gewandausgabe auch nicht. Und die medizinische Versorgung ist unzureichend. Wenn überhaupt vorhanden. Das wissen wir gerade nicht. Die Ärzte ohne Grenzen haben Bosnien verlassen und die Organisation Danish Refugee Council hätte übernehmen sollen. Wie das gerade ist, ist unklar.

Aber auch wenn das alles gerade sticht und wehtut und verzweifelt macht, gibt es die Momente in denen wir lachen und blödeln.Das tut gut. Ach, tut das gut.

wieder eine woche zu ende

wo fange ich an? mein herz pocht, wir haben vorhin ein video gesehen, dass die gewalt seitens der security im camp bezeugt. das schmerzt mein herz und macht das dringende gefühl, etwas tun zu müssen. an dem punkt darf es einfach nicht noch weiter gehen. denn wo soll es hinführen? wissen wir das denn nicht zu genau?

gestern ist m. aus österreich angekommen und hat wieder ganz viele tolle sachen mitgebracht. darüber haben sich dann die leuz im shop mega gefreut.

ich hatte heute meine premiere an der fronttüre. das ist bitter. denn es können einfach nicht alle rein und es können nicht alle alles haben. obwohl ich gerne alles geben würde. denn es ist bitterkalt. ich stand da ja nur 3 stunden und es hat mir den arsch abgefroren. und dann sind da so viele menschen und ich muss ständig nein sagen, ständig vertrösten. “sistra, do you have future for me?”. nein, hab ich nicht. überhaupt nicht. ich kann ein paar handschuhe anbieten. eine warme unterhose. tomorrow at 12 you can register for a card for monday. und ich weiss, von manchen werd ich verarscht und sie kommen schon zum dritten mal in folge um die sachen dann zu verkaufen und gleichzeitig denk ich mir “na und?”. es geht hier ums überleben. es ist kein leben, das hier geführt werden kann. es ist ein kampf ums überleben und davon hab ich einfach keine ahnung. meine maßstäbe sind unangebracht. mein wertesystem wird in frage gestellt. mit charme kommt man bei mir weiter, mit aggression ist man raus. aber woher kommt die aggression, was steckt dahinter, was hat die person wohl schon alles erlebt um so verzweifelt zu sein. aber es sind so viele, dass meine emphatie nicht unerschöpflich ist. ich spüre immer wieder verhärtungen, die ich nicht auf die schnelle auflösen kann. wie auch?

das ist doch scheisse. das ist doch einfach alles eine gequirlte scheisse, die wir da gemeinsam produzieren. was denken wir menschen uns nur dabei? das macht so wenig sinn.

 

Um sechs Uhr früh ruft der Muezzin und unser Nachbarhund jault ganz erbärmlich dazu. Heute war das irgendwie schön so aufzuwachen. Weil ausgeschlafen.

Und ein neuer Tag beginnt. Jeder dieser Tage, die hier beginnen bringt schlechte und gute Nachrichten mit sich. Und wir bemühen uns. Auch die guten Nachrichten laut zu hören, auch die schönen  Momente zu finden und auszukosten.

Trotzdem sich’s oft so fucked up anfühlt wie die Dinge hier laufen. Die Situation in den Camps. Die Hoffnungslosigkeit vieler toller junger Menschen die hier am Weg sind.

Zwischen den Grenzen, den Ausweglosigkeiten und der Hilflosigkeit blitzen immer wieder Möglichkeiten hervor. Wie die Sonne zwischen den Wolken an einem Regentag.

Schnee fällt auf Velika Kladusa. Was in Österreich als schön wahrgenommen werden kann verschärft die Situation hier tendenziell. Das fortkommen wird mühsamer. Die Wichtigkeit von Schuhen und warmem Gewand wird grösser.

Gute Nachricht: gestern ist ein fetter Bus aus Ö gekommen mit einem Haufen Zeug. Wow!Danke fürs sammeln und organisieren und herkommen!

Das ganze werden wir jetzt gleich mal sortieren und in den Shop bringen.

Schlechte Nachricht: Nach wie vor brauchen wir ca. 5000 Euro die Woche um weiter so arbeiten zu können wie bisher.

Bis bald!